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Einige Artikel im Buch ”Basisgemeinden in Österreich", erschienen im
Verlag Styria, 1989:
Grundlage der Gemeinde Endresstraße
Gott ist die Liebe, und er will durch die Menschen erfahren werden. Gott will,
dass die Welt zu dem wird, was in der Bibel "Reich Gottes" heißt. In Christus
ist das Reich Gottes angebrochen, er ist der Maßgebliche unseres Glaubens und
Lebens - seine Nachfolge ist unsere gemeinsame Berufung.
Die Glaubensvertiefung und Glaubenserfahrung wie deren Austausch in der Gemeinde
sind wesentlich. Persönliches und gemeinsames Gebet sowie Bibelgespräch sollten
für jeden verbindlich sein! Unser Leben, unser Umgang miteinander sollten von
geschwisterlicher Liebe geprägt sein. Dadurch geben wir unserer Umwelt ein
Zeugnis der Nähe Gottes. Menschen, denen wir begegnen, sollen spüren: Hier gibt
es nicht mehr die Herrschaft über andere ... Wir wollen andere fördern.
Wir sind überzeugt: Jedem hat Gottes Geist eine Begabung zum Aufbau der Gemeinde
(Charisma) gegeben, die er in die Gemeinde einzubringen hat. (Das Maß unseres
Engagementes bestimmt unser Gewissen!) Wir teilen miteinander, was wir haben:
Zeit, Phantasie, Geld, Freuden und Schwierigkeiten ...
Damit wir uns intensiver kennenlernen und uns gegenseitig helfen können, ist
jeder bestrebt, in einer Gruppe verbindlich mitzuarbeiten und auch am Aufbau
neuer Gruppen interessiert zu sein.
Jeder von uns trägt Verantwortung für die Gemeinde! Dies zeigt sich durch die
Teilnahme an der Gemeindeversammlung (evtl. Entschuldigung!), im Interesse an
der Kinder- und Jugendarbeit, an der Messgestaltung und in der Unterstützung
unseres Sozialprojektes „Hilfe für Behinderte".
Unsere Gemeinde wollte von Anfang an offen sein. Das bedeutet: Freude an
„Neuen", Geduld mit denen, die sich noch nicht mit der Gemeinde identifizieren
können, mit Christen anderer Konfessionen (Ökumene!) ...
Wir wollen mit der gesamten Kirche Christi verbunden sein, weil wir uns als Teil
und Anregung dieses Ganzen sehen. Darum helfen wir nach Möglichkeit auch in
Pfarreien und halten Verbindung zu anderen Gemeinden.
P. Anton Müller SJ
Wie sehe , lebe und erlebe ich unsere Gemeinde?
Vier persönliche Stellungnahmen
Alternativ ist ein vielstrapazierter Begriff. Dennoch: Wenn Christentum und
christliche Gemeinschaft keine Alternative, keinen anderen Umgang miteinander
und keine Konsequenz für das eigene Leben haben, was dann?
Vor 18 Jahren hat ER uns hierher geführt, weil ER ganz sicher mit uns allen
etwas vorhat.
In einer erstarrten und großteils überalterten Kirche Wiens hat Gott uns eine
Alternative gezeigt, die meine Frau und ich gerne aufgegriffen haben, weil wir
sie im Innersten schon lange gesucht hatten.
Was diese christliche Gemeinschaft in all den Jahren inzwischen an Wachstum,
Rückschlägen, Hoffnungen uns Entmutigungen, aber auch an neuem Umgang
miteinander erlebt hat, ist kaum in wenigen Sätzen zu beschreiben.
Nicht die Äußerlichkeiten sind es, die diese Gemeinde kennzeichnen, weder die
freiere Form der Messfeier (bei voller Wahrung des allgemeinen
Liturgieverständnisses) noch die Aktivitäten: von Kindergesprächen bis
Behindertenhilfe im wohl einzigartigen Verein „Hilfe für Behinderte".
Nein, es ist die Grundtendenz des selbstverständlich geschwisterlichen Umgangs
untereinander bei allen Missverständnissen, aber auch des herrlich positiven
Gemeinschaftslebens, das in einer „natürlichen" Familie sich auch ereignet.
Das gemeinsame Lernen des gleichberechtigten und liebevollen Umgangs miteinander
ist seit drei Jahren verstärkt durch das Bedürfnis nach mehr Spiritualität, das
dem Gebet zu einem neuen Stellenwert verholfen hat und uns ermöglicht, mit
unserem Gott zu plaudern, IHN zu fragen, zu bitten, mit IHM zu hadern und IHM zu
danken.
Und wir spüren, dass ER Anteil nimmt an unserem Leben. Oft hat ER unsere Bitten
erhört, und oft ist ER fast spürbar unter uns, wenn wir in der Eucharistiefeier
Hand in Hand im gemeinsamen Gebet um SEINEN Tisch stehen.
Günter Lenhart
Wie fing es bei uns an? Wir kamen 1981, anfangs nur zur Messe, erlebten hier eine Gemeinschaft, wie wir sie in einer römisch-katholischen Kirche bisher nicht erlebt hatten. Wir hörten bei den Predigtgesprächen zu und erhielten so Einblick in das Gedankengut der Gemeindemitglieder. Wir beobachteten dabei erstmalig, wie unser Priester während der Messe an den Rückmeldungen der Gemeindemitglieder überprüfen konnte, wie die Botschaft des Evangeliums angekommen ist. Wir halten dies für eine bessere Methode, als wenn der Priester eine Predigt hält und die Gläubigen lediglich zur Kenntnis nehmen, was der Priester zu sagen hat.
Dann gab es da eine Einrichtung, mit der wir zunächst nichts anfangen konnten,
,,Gemeindeeinladung" genannt. Nach einigen Messbesuchen wurden wir eingeladen,
doch auch mitzukommen. Dabei ergaben sich Gespräche darüber, woher wir kommen,
wo wir wohnen, eines ergab das andere, und wir fanden, dass hier eine
Gemeinschaft sei, die uns zusagte. Wir stellten uns die Frage: Wollen wir
dazugehören? Uns war klar, dass die Gemeinde eine verbindliche Gemeinschaft ist.
Wir bejahten die Zugehörigkeitsfrage.
Was war hier eigentlich anders? Jeder kannte jeden; wenn ein Gemeindemitglied
fehlte, so wurde nach ihm gefragt. Durch die fortgesetzte Teilnahme an der
Messe, immer zum selben Termin, lernten wir beim Predigtgespräch langsam die
„Endresstraßler" kennen, da ja viele über das Evangelium etwas zu sagen hatten.
Bei den Gemeindeeinladungen und im Glaubensgespräch wurde dieses gegenseitige
Kennenlernen mit und über Christus möglich. Ein Jahr später kam das Pfingstfest.
Wir fragten, ob wir da auch mittun könnten und wurden aufgefordert, doch nach
Waldhausen zum Pfingsttreffen mitzufahren. Dabei ist unsere Beziehung zum
Glauben und zur Gemeinde neuerlich vertieft worden. Der nächste Schritt waren
dann Gemeindefeste und Einladungen zu bestehenden Familienrunden sowie der
Gemeindetag.
Der Gemeindetag und das Pfingstfest: Zu diesen Tagen wird immer ein von der
Gemeindeversammlung festgelegtes Thema in der Meditation, bei Gesprächen in
kleinen Gruppen bis hin zur Messvorbereitung in die Mitte gestellt, wo dann die
Gedanken und Erkenntnisse einfließen zum Höhepunkt beider Gemeindefeste, der
gemeinsamen Eucharistiefeier. Die Erkenntnis, dass wir alle gemeinsam unterwegs
zu Christus sind, wurde langsam zur Gewissheit. Wenn es auch da und dort sehr
bedauerliche Ausfälle und Rückschläge gegeben hat, so denken wir doch, dass
Christus der Weg und das Ziel ist; dabei müssen wir uns selbst immer wieder
prüfen, ob wir diesen Weg noch gehen. Wenn es dabei zu Konflikten und Spannungen
kommt, müssen wir diese aushalten und nicht unter den Teppich kehren, sondern in
liebevollen Gesprächen mit unseren Schwestern und Brüdern zu einem Konsens
finden, wo beide Meinungen bestehen können.
Unser Reifungsprozess in der Gemeinde führte zur Gründung einer Familienrunde.
Über diese Familienrunde lernten wir den in Wien wohl einmaligen Bibelkurs in
der Volkshochschule Liesing kennen. Der Pfarrer der römisch-katholischen Kirche
von Atzgersdorf, Dechant Novotny, und der Pfarrer der evangelischen Pfarre von
Liesing, Friedrich Preyer, hielten diesen gemeinsam. Wir würden uns wünschen,
dass es noch mehr solcher begrüßenswerter ökumenischer Veranstaltungen gäbe.
Was ist uns in dieser Zeit wichtig geworden?
Durch die gemeinsame Eucharistie, dieses An-der-Messe-teilnehmen-wollen - zum
Unterschied zu vorher, wo wir unsere Sonntagspflicht erfüllten - und über das
Zugehörigkeitsgefühl zur Gemeinde änderte sich unser Glaubensverständnis. Wir
wissen, dass wir Mitverantwortung tragen für unseren Nächsten, für unsere Kirche
und für die Welt. Wir wissen, dass wir unterwegs sind ... zu Gott, mit Christus
an unserer Seite und mit der Hilfe des Heiligen Geistes.
Hans Staringer
Als wir vor ca. zehn Jahren nach unserer Übersiedlung in den 23. Bezirk die
Sonntagsmessen in verschiedenen Kirchen der Umgebung besuchten, kamen wir auch
in die Klosterkirche Endresstraße. Wir gehörten vorher einer Pfarre an, in der
es zwar Familienrunden gab, aber das Geschehen wurde vorwiegend vom dortigen
Pfarrer dominiert.
Während der Messfeier, die uns sehr gefiel, erlebten wir zum ersten Mal, wie
sich Laien am sogenannten Predigtgespräch beteiligten. Mich als Frau faszinierte
es vor allem, dass auch Frauen aufstanden und ihre Gedanken und Erfahrungen (mit
denen auch ich mich identifizieren konnte) zum Ausdruck brachten.
Beim zweiten Messbesuch wurden wir angesprochen und fanden schnell Kontakt zu
den Menschen der Gemeinde. Auch unsere Söhne, damals 12 und 14 Jahre alt,
schlossen Freundschaft mit Gleichaltrigen, die sie zum Teil aus der Schule
kannten. Dies war lange Zeit unser Hauptbeweggrund, der uns veranlasste, am
Gemeindeleben teilzunehmen. Allmählich wurde uns aber klar, dass wir unsere
ausschließliche „Konsumhaltung" ablegen müssen. Die Taufe unserer Tochter sowie
die Feier der Pfingstfeste gaben den Anstoß zum Aktivwerden.
Im Vorjahr besuchten wir nacheinander den Cursillo; wir erlebten die echte
Freude, die aus der Gewissheit der Erlösung kommt, und wurden uns der
apostolischen Aufgaben bewusst.
Natürlich gibt es im Gemeindeleben auch immer wieder Konflikte und
Meinungsverschiedenheiten. Aber es ist doch meistens die „andere Art",
miteinander umzugehen, erkennbar. Von Anfang an fiel uns der liebevolle Umgang
auf und das Bemühen, füreinander Verständnis aufzubringen. Und noch etwas: Man
versteht es in der Gemeinde, Feste zu feiern! Taufen, Firmungen, Hochzeiten
(speziell Silberhochzeiten), aber selbstverständlich auch die Hochfeste der
Kirche sind ein echtes Anliegen der Gemeinde.
Wir möchten dem Herrn danken, dass er uns in diese Gemeinde geführt hat, von wo
aus wir mit unseren bescheidenen Mitteln mithelfen wollen, das Reich Gottes zu
verbreiten.
Hermi & Herbert Friedl
„Sehen”
Wir sehen unsere Gemeinde als Gemeinschaft, in der wir unseren Glauben
intensiver leben und auch Hilfe für ihn finden können; als einen Ort, von dem
aus wir unseren gemeinsamen Weg in der Christusnachfolge gehen wollen. Aus
diesem engeren Kontakten ergeben sich natürlich auch Reibereien - mangelnde
Verbindlichkeit in dieser Gemeinschaft wirkt sehr störend.
Wir müssen sehen und anerkennen, dass sich jeder bemüht, in seinem Glauben zu
wachsen, und dass auch die unterschiedliche Glaubensverwirklichung Platz hat.
Die Aufstellung von Regeln für unsere Gemeinschaft kann nur mit sehr viel
Feingefühl erfolgen. Sie können positiv wirken durch das damit akzeptierte
verpflichtende Interesse an unserer Gemeinde, sie können aber auch abhaltend
wirken für jene, die diese Verpflichtung scheuen.
Das Gefühl für das gemeinsame Tragen von Verantwortung für die Gemeinde muss
noch wachsen, ebenso für das Tragen von Verantwortung füreinander. Jeder muss
wirklich sein Talent einbringen. Auch beim „Putzdienst" oder z. B. beim
„Bänketragen", bei der Vorbereitung von Veranstaltungen.
„Leben"
Unser Leben ist schon sehr auf die Gemeinde ausgerichtet, hat doch jeder von uns
Termine in und für die Gemeinde, wobei es keinen Unterschied macht, ob dieses
Tätigsein im geistigen Bereich oder im manuellen erfolgt. Unser Wunsch ist ein
weiteres Wachsen der Gemeinde in ihren Beziehungen zueinander und gemeinsam auf
ihrem Weg zu Gott. Wir müssen jedoch noch erkennen, dass zwar unser
Familienleben durch die Gemeinde schon sehr geprägt ist, aber unser Berufsleben
sich vom Stil des Lebens in der Gemeinde noch allzu oft unterscheidet.
Wir hoffen und glauben, dass eine Trennung dieser Lebensbereiche nicht mehr
möglich ist, da der Prozess der Gewissensbildung in und aus der Gemeinde ganz
einfach nicht mehr ohne Wirkung für unser ganzes Leben bleiben kann.
„Erleben"
Wir erleben die Gemeinde manchmal als "Frust", als Ort einer kritischen
Auseinandersetzung, als Ort der Enttäuschung, des Ärgers, viel öfter aber als
Ort der herzlichen Freude und Beglückung, wobei die positiven Erfahrungen die
negativen Eindrücke immer wieder mehr als aufheben.
Wir erleben die Gemeinde als Ort, an dem wir bei der Kommunionfeier um den Altar
stehen, uns beim Vaterunser die Hände reichen, die Kommunion gleichzeitig
nehmen, d. h. warten, bis jeder die Hostie erhalten hat, um so die
Verbindlichkeit auf ganz einfache Weise ausdrücken.
Familienrunde: Graf, Kubitzki, Sauer, Schmalzbauer und Wielander
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